6 Phänomenologie des Plasmaeffektes

6.1 Brennverläufe

Zur Vertiefung der in Kap. 4.2 gewonnenen Erkenntnisse sollen im folgenden die zugehörigen Brennfunktionen betrachtet werden. Mittels einer Energiebilanz ist es möglich, aus dem Druckverlauf des Motorprozesses zeitlich aufgelöst den jeweils umgesetzten Anteil der eingesetzten Kraftstoffmasse zu bestimmen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Umsatzanteilen 5 % und 90 % zu. Das Intervall vom Zündzeitpunkt bis Erreichen von 5 % Umsatz beschreibt den Brennverzug bzw. die Entflammungsdauer, also die Zeit vom Funkenüberschlag bis zur Ausbildung einer Flammenfront mit nennenswerten Umsatzraten. Die Brenndauer, also die Zeit von 5 % bis 90 % Umsatz hängt im allgemeinen nur wenig von der Verbrennungseinleitung sondern von Brennraumgeometrie, Temperaturniveau und stark von der Gemischzusammensetzung ab. Ein Programm zur Berechnung ist auf dem Institutsrechner implementiert /Sc76/. Die Rechnung wurde an aus jeweils 100 ö 500 einzelnen Zyklen gemittelten Druckverläufen durchgeführt. Abb. 6.1 zeigt für alle verwendeten Zündergeometrien praktisch die gleichen Brennverläufe an der Magerlaufgrenze.

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Abb. 6.1 Einfluß der sek. Zündenergie auf den Brennverlauf

Trotz der unterschiedlichen Gemischzusammensetzung kann man also von identischen Prozessverläufen ausgehen. Vergleicht man dieselben Zünder bei λ = 1.3, so zeigen sie analog zur Magerentflammungsfähigkeit eine deutliche Verkürzung sowohl der Entflammungsphase als auch der Brenndauer. Abb. 6.2 zeigt das gleiche für die Variation der Zündenergie. Hier ergeben sich auch Prozessunterschiede an der jeweiligen Magerlaufgrenze. Ein Vergleich mit den Ergebnissen von Brünken zeigt jedoch, daß dies auf die hier gewählte Beschränkung des Vorzündwinkels zurückzuführen ist. Bei λ=1.3 führt höhere Energie zu einer deutlichen Verkürzung der Entflammung, hat aber nur sehr geringen Einfluß auf die Brenndauer.

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Abb. 6.2 Einfluß der sek. Zündenergie auf den Brennverlauf

Abb. 6.3 vergleicht drei konventionelle und drei Plasmazünderversionen unterschiedlichen Abmagerungspotentials. Zum einen ist dies ein sehr energiearmes Spulenzündsystem mit drei verschiedenen Elektrodenabständen der Zündkerze. Das Vergleichssystem ist die Plasmavariante mit C = 210 pF und EA = 2.5 mm bei drei verschiedenen Hohlraumdurchmessern. Aufgetragen sind jeweils Brennverzug und Brenndauer bei konstantem Luftverhältnis zusammen mit dem für die jeweilige Version maximalen Luftverhältnis. Für beide Systeme korreliert der Brennverzug deutlich mit der Magerlaufgrenze. Obwohl aber das konventionelle System eine relativ sehr viel größere Erweiterung der Magerlaufgrenze zeigt, bleibt für alle drei Versionen die Brenndauer im Einklang mit der Theorie praktisch konstant. Im Gegensatz dazu variiert sie beim Plasmasystem um rund 4°KW.

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Abb. 6.3 Brennverläufe für konventionelle und Plasmazündung

6.2 Erklärungsansätze aus der Literatur

Als Ursache für den Effekt der Flammenbeschleunigung nennt Weinberg /We78/ /We83/ eine vom Plasma erzeugte hohe Radikalkonzentration. Tatsächlich erhielt er bei Versuchen in der Verbrennungsbombe für ein normalerweise unbrennbares 5 %-iges Methan-Luft Gemisch bei Zündung mit Plasmastrahl und 7 J Energieeinsatz eine vollständige Umsetzung bei einer Brenngeschwindigkeit, wie sie für stöchiometrisches Gemisch typisch ist.

Die mittlere Lebensdauer ist für Radikale und Ionen umgekehrt proportional zur Konzentration /Ge48/

(6.1) \tau = \frac{1}{\beta \cdot n}

Für normale Umgebungsluft ist die Ionenkonzentration

nu ≈ 103 cm-3

bei einer Lebensdauer

τu ≈ 102 sec

Fordert man für die notwendige Lebensdauer die Spanne vom Zündzeitpunkt bis zum Verbrennungsende, also selbst für sehr niedrige Drehzahlen nicht mehr als maximal 10 msec, erhält man unter Normalbedingungen eine mögliche Anfangskonzentration von

no ≈ 108 cm-3.

Dies ist etwa die Ionendichte im Zentrum einer Bogenentladung oder in der Flammenfront. Allerdings herrschen dort auch hohe Temperaturen und wegen der Temperaturabhängigkeit des Rekombinationskoeffizienten β sehr viel kürzere Lebensdauern. Wenn es also gelingt, eine Erhöhung der Radikalkonzentration im relativ kalten Teil des Brennraumes zu erzeugen, so bleibt sie auch hinreichend lange bestehen um die gesamte Umsetzung beschleunigen zu können.

Bei der normalen Glimm- und Bogenentladung besteht ein stationäres Gleichgewicht zwischen der elektrischen Energiezufuhr und der Wärmeabfuhr durch Leitung und Konvektion /Su39b/. Das Resultat ist ein stationäres Temperaturniveau mit flachem Gradienten. In der Durchbruchsentladung bestehen vollständig andere Verhältnisse. In der extrem kurzen instationären Entladung kommt es nicht nur zu einer Aufheizung des Kanalzentrums auf ca. 60 000 K sondern in Form von Ionisation und Anregung zu einer zusätzlichen Speicherung vom vierfachen der thermischen Energie /Ma84/. Der Druck im Kanalzentrum führt zur Ausdehnung in einer Schockwelle. Durch Thermalisierung der anderen Energieformen kann das hohe Temperaturniveau dabei aufrechterhalten werden. Die Ausdehnung mit Überschallgeschwindigkeit führt zu einem außerordentlich steilen Temperaturgradienten. Abb. 6.4 aus /Ma84/ zeigt die Verhältnisse für Glimm-, Bogen- und Durchbruchsentladung (Indizes G,A,B). Angegeben sind auch die typischen Zeiten bis zum Erreichen des jeweiligen Profils. Offenbar kommt es für das Zustandekommen dieser Effekte nicht auf den eigentlichen Durchbruchsmechanismus sondern nur auf hinreichend kleine Entladungsdauern an. Mit weniger als 200 nsec ist dies bei unserem Aufbau offensichtlich gegeben. Ziegler nennt in /Zi90/ eine Zeit von typisch 500 nsec bis zum Ablösen der Schockwelle vom Plasmakanal beim Entladungsverlauf der Spulenzündung.

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Abb. 6.4 Temperaturprofile der drei Entladungsformen /Ma84/

Durch den steilen Gradienten wird der räumliche Abstand der heißen und kalten Zone und damit die mittlere Diffusionszeit zur Überwindung dieser Entfernung sehr verkürzt. Wenn nun diese Diffusionszeit klein gegen die Trägerlebensdauer in der heißen Zone wird, kann ein nennenswerter Anteil aus dem Bereich hoher Konzentration und kleiner Lebensdauer die kalte Zone als Bereich großer Lebensdauer erreichen. In geringem Maße laufen solche Prozesse auch schon bei konventioneller Zündung ab. Mit Ionenstrommessung konnte Hancock schon vor Eintreffen der Flammenfront das Vorhandensein aktiver Träger mit deutlicher Abhängigkeit der Intensität von den Funkenparametern nachweisen /Ha86/. Durch Entladung im Hohlraum mit Längenausdehnungen in der Größenordnung des in Abb. 6.4 gezeigten Temperaturprofiles bildet sich die Trennfläche als große aktive Oberfläche hemisphärisch an der Zündermündung aus anstatt als Strahl zu dissipieren. Brünken gelang es bei Betrieb des Zünders in einem Motor mit optisch zugänglichem Brennraum diese Plasmawolke photographisch zu dokumentieren, Abb. 6.5. Die Diffusion erfolgt gerichtet zur Mitte des Brennraums.

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Abb. 6.5
Plasmawolke an der Zündermündung /Br89/
links: ca. 30 μsec nach Überschlag, ungefeuerter Betrieb
Mitte: Lage der Zündermündung (Referenzbild)
rechts: beginnende Entflammung 10°KW = 1000 μsec nach ZZP

7 Zusammenfassung

Für den von Kupe und Somuncu entwickelten und von Brünken optimierten Zünder sollte durch gezielte Parametervariation das Verständnis der Funktionsweise und Zusammenhänge vertieft werden. Ergänzend zum Motorversuch wurden dazu Untersuchungen des Entladungsverlaufes und der Energieübertragung in der Druckkammner durchgeführt. Durch die Wahl verschiedener Elektrodenabstände und Hohlraumdurchmesser wurde die Geometrie der Zünderspitze variiert. Für die als optimal gefundene Version wurde durch Variation der Energiebereitstellung der tatsächliche Energiebedarf bestimmt. Zusätzlich wurde bei konstanter Spannung die Vorfunkenstrecke und bei konstanter Energie die Kapazität variiert. Insgesamt ist es mit dem vorliegenden Zünder gelungen, eine Plasmazündung mit dem Energiebedarf konventioneller Systeme zu entwickeln. Bei der größten untersuchten Variante konnten mit 100 mJ Gemische mit λ = 1.7 entflammt werden. Selbst mit 36 mJ wurde noch λ = 1.63 erreicht. Noch kleinere Energien lassen den Plasmaeffekt nicht mehr zustandekommen und führen auf ein schlechteres Verhalten als das vergleichbarer konventioneller Systeme. Auf der Abgasseite konnte für die Stickoxidemission eine Reduktion von 70 % bezogen auf λ = 1.3 oder fast 80 % im Vergleich zum stöchiometrischen Betrieb erreicht werden. Offenbar führt die Plasmazündung neben einer verbesserten Verbrennungseinleitung zu einer Beeinflussung der gesamten Umsetzung mit einer Verringerung der Brenndauer und besserem Durchbrand mit daraus resultierender Verringerung der Kohlenwasserstoffemission. Deren dennoch sehr hohes Niveau verlangt zwar immer noch eine Nachbehandlung, jedoch kann diese verglichen mit dem derzeit üblichen geregelten Katalysatorsystem sehr viel einfacher ausfallen. Der Betrieb mit sehr mageren Gemischen führt ausgehend vom bereits sehr guten Wert bei λ = 1.3 zu einer weiteren Wirkungsgradverbesserung von 6.5 %. Die wichtigsten Einzelergebnisse sind:

Für die Konstruktion der nächsten Zündergeneration ergeben sich daraus folgende Empfehlungen:

Der Kondensator ist mit einem im Hochfrequenzbereich verlustarmen Dielektrikum auszuführen. Bei relativ hoher Permittivität (und damit bei gegebener Kapazität kleinem Bauraum) sind das E-Glas und Al2O3. Für kostengünstige Fertigung kommen auch PE (Polyethylen), PP (Polypropylen) und, besonders verlustarm PTFE ("Teflon") in Frage.

Für das Erreichen höchster Frequenzen ist die Induktivität des Zünders durch Verzicht auf den langen Hals deutlich zu senken. Erleichtert wird dies durch die Verwendung eines kleiner bauenden Kondensators. Unter Umständen kann die Kapazität bei geringeren Verlusten noch einmal spürbar gesenkt und neben der Verringerung der Baugröße die Frequenz dadurch weiter angehoben werden.

Der Hohlraum sollte so groß wie möglich gewählt werden. Da die elektrische Belastung des Isolators an der Zünderspitze deutlich geringer als im Zünderinneren bleibt – bei hohen Zylinderdrücken wird die Isolation durch das Gas unterstützt, niedrige Drücke bedingen auch geringere Durchbruchspannungen an der Zünderspitze – kann versucht werden, durch geringere Materialstärke den Durchmesser weiter zu vergrößern.

Zur Überprüfung der vorgeschlagenen Deutung des Plasmaeffektes könnte in der Druckkammer eine Ionenstromsonde zum Einsatz kommen.

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