Eindrücke aus Karlruhe

von der Sonderausstellung zu Göbekli Tepe und Nevali Çori

Ich stehe mit den anderen im Heiligtum. Direkt vor mir, so nahe, daß ich steil nach oben sehen muß - aber die Enge erlaubt mir keinen Abstand - die beiden Großen. Ringsum, vom Licht der Fackeln halb erfaßt und halb verborgen in der Mauer, die alle Worte zurückwirft, der Ring der Alten. Ehrfürchtig sehe ich auf, und dann beginnt seine tiefe Stimme zu mir zu sprechen ...

In den biblischen Texten ist von Gott stets als dem eingreifenden, handelnden die Rede. Ältere Inschriften, sowohl aus Ägypten als auch dem Zweistromland, bezeichnen die Götter stets als die sprechenden, die, die Anweisungen und Rat geben. Julian Jaynes, Psychologe und Professor in Princeton, hat im menschlichen Gehirn den Bereich identifiziert, in dem die "Stimmen der Götter" zuhause sind. (Jaynes 1993) Rudel und Herden funktionieren genau solange, wie der Leitwolf seine Untergebenen im Blick behalten kann. Komplexere Gruppen brauchen andere Mechanismen, nach Jaynes die halluzinierte, Anweisungen wiederholende Stimme des Anführers, aus der später die Stimmen der Götter hervorgingen. Nach ihm entstanden sie dadurch, daß, bloß weil ein Anführer gestorben ist, seine so manifertierte Stimme nicht schweigt. Den sitzend aufgebahrten Toten in 'Aïn Mallaha sieht er als ältesten Beleg. Offen bleibt dabei die Frage, wann und wie dieselben Götterstimmen, deren Beginn er an die Grenze zum Neolithikum legt, zu den Hochkulturen Mittelamerikas gekommen sind. Wenn er Recht hat, haben wir in Göbekli Tepe sprechende Götter vor uns.

Ein anders Beispiel für die Bedeutung von akustistischen Illusionen für die neolithische Kultur enthält diese Sendung der BBC aus dem Jahr 2000.

Jaynes 1993
Julian Jaynes, Der Ursprung des Bewußtseins (Reinbek 1993).

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