Füllstandsmessung mit kapazitiver Sonde

Dipl.-Ing. F. Axel Berger

Diese Schaltung entstand im Februar 1991 im Rahmen eines Projektes zur Entwicklung einer Absorptionswärmepumpe mit Salzkomplexen, an dem ich seinerzeit promoviert werden wollte. (Siehe auch mein Text zur Dampfdruckgleichung.) Zur Füllstandmessung in einem Ammoniakbehälter war uns ein teures Meßgerät eines Industrieausrüsters überlassen worden, dessen Meßprinzip offenbar nicht der Beschreibung des Herstellers entsprach und dessen Auswerteschaltung unseren Anforderungen nicht genügte. Es stellte sich übrigens später heraus, daß der schlechte Temperaturgang doch nicht von meiner Meßschaltung sondern von der Sonde selbst herrührte.

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1. Zur grundsätzlichen Funktion der Sonde

Die hier verwendete Füllstandssonde besteht aus einer schlanken zylindrischen Zentralelektrode mit Ø 6 mm und einem umgebenden Teflonmantel mit 3 mm Dicke. Zusammen mit dem zu erfassenden Medium und einem (in einfachster Näherung ebenfalls zylindrischen) Mantel bildet sie eine Reihenschaltung zweier Kondensatoren.

Dies ist zum einen der Teflonkondensator. Seine Kapazität ergibt sich mit:

(1) C = 2 π l ε0 εr / ln (ra/ri)

zu:

C'T = 200 pF/m

Den zweiten bildet das Medium bzw. bei leerer Sonde der Luftmantel. Setzt man als Durchmesser des Gefäßes oder Schutzrohres 50 mm an, so ergibt sich für die Kapazität des Luftmantels der leeren Sonde mit:

zu:

C'L = 39 pF/m

und für die Reihenschaltung beider Kondensatoren folglich:

C'leer = 33 pF/m

Setzt man für die volle Sonde die Werte für Wasser ein, so ergibt sich:

C'W = 3160 pF/m

C'voll = 188 pF/m

Dies setzt jedoch voraus, daß der Wassermantel als ideal isolierendes reines Dielektrikum angesehen werden kann. Das ist für stark basisches Kesselwasser jedoch mit Sicherheit nicht der Fall, aber auch für destilliertes Wasser gilt mit:

und:

(2) R = • ln (ra/ri) / (2 π l)

für den längenbezogenen Widerstand einer Sonde mit der oben genannten Geometrie:

R'W= 2.3 kΩ•m

Aus Widerstand und Kapazität erhalten wir für unsere Anordnung die (längenunabhängige) Zeitkonstante:

τW = R'W•C'W = 7.3 μsec

Dies entspricht einer Frequenz von 22 kHz und damit der Größenordnung der typischen Meßfrequenzen. Bereits Spuren gelöster Verunreinigungen verschieben diese Grenzfrequenz deutlich nach oben, mit der Folge, daß sie wesentlich höher als die Meßfrequenz wird. Der Wassermantel verhält sich dann nicht mehr als Kondensator sondern als ohmscher Widerstand. Es ist dann folglich nicht mehr die Dielektrizitätskonstante sondern die Leitfähigkeit des Mediums die für das Meßergebnis relevante Kenngröße.

Wie das obige Zahlenbeispiel zeigt, ist dies praktisch jedoch irrelevant. Der Scheinwiderstand des Fluidmantels ist in jedem Falle klein genug, um im Vergleich zum Teflonmantel praktisch einen Kurzschluß darzustellen. Folglich steht als Füllstandsinformation die Differenz zwischen der sehr kleinen Kapazität des Luft- und der größeren des Teflonkondensators zur Verfügung. Die Richtigkeit dieser Annahmen und Übereinstimmung mit gemessenen Werten konnte an einer von der Firma Merckens leihweise überlassenen Sonde verifiziert werden.

Für die praktische Anwendung ergeben sich die Folgen:

  1. Die elektrischen Eigenschaften des zu messenden Mediums sind sind für die Messung irrelevant und gehen in das Ergebnis nicht ein. Insbesondere gilt dies auch bei einem Wechsel des Mediums und bei Veränderungen im Betrieb (Verunreinigung).
  2. Das Meßsignal ist jedoch sehr viel kleiner als bei einer Abschätzung allein aus den Daten des Mediums eigentlich zu erwarten wäre (bei Wasser um den Faktor 15). Dies erhöht den notwendigen Aufwand für eine genaue Erfassung und den relativen Einfluß sonstiger parasitärer Kapazitäten.
  3. Zur Vergrößerung des Nutzsignals sollte der Teflonmantel möglichst dünn und der Durchmesser der Zentralelektrode möglichst groß ausgeführt werden.
  4. Um die Restkapazität der leeren Sonde klein zu halten, sollte der Durchmesser des umgebenden Gefäßes möglichst groß sein. Begrenzt wird dies durch die Forderung, daß der Scheinwiderstand der Sondenfüllung klein gegen den des Teflonkondensators bleiben muß. Durch die hohe Leitfähigkeit üblicher Medien ist diese Forderung unkritisch.
  5. Bei außergewöhnlich gut isolierenden Medien könnte es – falls sonstige Forderungen dies nicht verbieten – sinnvoll sein, das Medium mit Ionenleitern zu impfen.

2. Zur Messung der Kapazität

Als stabilstes und genauestes Verfahren eine Kapazität zu bestimmen empfielt sich die Umsetzung in eine Frequenz oder eine Verzögerungszeit. In beiden Fällen hängt die Ausgangsgröße außer von der Kapazität nur noch von Spannungsschwellen (=Widerstandsverhältnissen) und ohmschen Widerständen ab. Diese Größen lassen sich mit geringem Aufwand sehr genau konstant halten. Die Frequenz als Signal hat jedoch zwei Nachteile:

  1. Sie ist zur eigentlichen Meßgröße invers proportional mit der Folge einer füllstandsabhängigen Auflösung.
  2. Sie läßt sich nur entweder digital oder mithilfe eines weiteren Monoflop auswerten. Dessen Haltezeit läßt sich mit vertretbarem Aufwand kaum mit der hier geforderten Genauigkeit konstant halten.

Die Zeitgröße, die sich zur analogen Umsetzung am ehesten anbietet, ist das Tastverhältnis. Mit t als füllstandsabhängiger Monoflopzeit ergibt sich:

(3) U(t) = U0 • t/T

oder mit einer Referenzfrequenz f als Inverser der Periode T

die äquivalente Form:

(3a) U(t) = U0 • f • t

Als weitere Abhängigkeiten treten hier nur die Versorgungsspannung U0 und die Frequenz f auf. Mit einer geheizten Referenz und einer Quarzzeitbasis läßt sich für beides mit geringem Aufwand hohe Konstanz gewährleisten.

Für die vorgeschlagene Schaltung ergibt sich daraus das in Abb. 1 gezeigte Blockschaltbild.[3] Diese Schaltung wurde als Prototyp ausgeführt und am Lehrgebiet Hochtemperaturthermodynamik der RWTH ausgiebig erprobt.

Zusätzlich zu den bereits angesprochenen beeinflussen noch die folgenden parastiären Kenngrößen das Ausgangssignal:

  1. Durchlaufverzögerungen der Gatter
  2. Symmetrie und Konstanz der Treiberausgangswiderstände
  3. Drift des Pufferverstärkers

Um die Störung durch die Einflüsse b) und c) zu minimieren wurde die Systemspannung mit ca. 11 V recht hoch gewählt. Dies erforderte den Einsatz von CMOS-Bausteinen der 4000-er Serie. Offenbar wurde dabei der Einfluß der Störgröße a) unterschätzt.[4] Bei 2.5 MHz wird ein 4060 bereits an der Grenze seines Arbeitsbereiches betrieben und die bei einem Quarzoszillator eigentlich zu erwartende Frequenzkonstanz nicht erreicht. Ferner liegen bei einer Meßfrequenz von 10 kHz die typischen Monoflopzeiten bei 50 μsec. Die temperaturabhängige Variation der Durchlaufverzögerung (bzw der Differenz der Verzögerungen beider Flankenrichtungen) von bis zu 60 nsec ergibt dann bereits einen Fehler von mehr als 1000 ppm.

Insgesamt weist die ausgeführte Schaltung den noch sehr unbefriedigenden Temperaturfehler von immer noch fast 250 ppm/K auf. [1]

Für das Nachfolgemodell ist daher vorgesehen, die Spannung auf ca. 6 V zu reduzieren und damit den Einsatz von Bausteinen der 74HC-Familie zu ermöglichen. LinCMOS-Verstärker der TLC-Familie sind hinreichend driftarm, um diese Fehlerquelle auch bei der dann geringeren Signalspannung unkritisch bleiben zu lassen. Zur Vereinfachung der Weiterverarbeitung wird der Ausgangspuffer als Verstärker um den Faktor zwei beschaltet.

Als etwas kritisch in elektrisch verseuchten Betriebsräumen kann die Verwendung eines zu übertragenden Spannungssignales angesehen werden. Da hier aber lediglich sehr langsam veränderliche Größen zu messen sind, lassen sich alle Einstreuungen problemlos über einen hinreichend großen Kondensator kurzschließen.

Die gesamte Schaltung ließe sich im von der Fa. Merckens standardmäßig verwendeten Oszillatorgehäuse unterbringen. Im Gerät selber erfolgt lediglich durch Wahl einer Steckbrücke am Frequenzteiler die einmalige Anpassung an die jeweils verwendete Sonde. Die Ausgangsspannung der Schaltung ist der Sondengesamtkapazität direkt proportional und muß von einem nachzuschaltenden Verstärker auf die üblichen Normgrößen 0÷5 V oder 4÷20 mA umgesetzt werden. Der genaue Abgleich erfolgt dann ebenfalls an diesem Umsetzer und damit außerhalb des Bereiches, in dem besonderer Spritzwasserschutz erforderlich ist und extreme Schwankungen der Umgebungstemperatur kompensiert werden müssen.

3. Praktische Ausführung

Der Schaltplan ist in den letzten sechzehn Jahren offenbar verlorengegangen, er existierte ohnehin nur in der handgezeichneten Version. Alle Pläne der Platinen sind als Rastergraphiken mit einer Auflösung von 180 dpi erstellt. Sie lassen sich mit richtigen Graphikprogrammen ohne Windows-Druckertreiber exakt 1:1 ausdrucken und passen dann ganau im Rastermaß auf eine Europaplatine (100 x 160 mm). Die Platine ist doppelseitig aber nicht durchkontaktiert. Etliche Anschlüsse sind deshalb auch auf der Oberseite zu verlöten.

Lötseite
Abb. 2: Lötseite der Platine
 
 
Bestückungsseite
Abb. 3: Bestückungsseite der Platine
 
Bestückungsplan
Abb. 4: Bestückungsplan
 
Bohrplan
Abb. 5: Bohrplan
 
Lötplan
Abb. 6: Lötpunkte auf der Bestückungsseite
 
Ansicht
Abb. 7: Ansicht der bestückten Platine
 

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1
In den nächsten Monaten wurde die Schaltung ausgiebig erprobt. Dabei zeigte sich als Hauptproblem nicht die Elektronik sondern die Sonde selbst. Die Übereinstimmung der Anzeigen dreier Meßgeräte recht unterschiedlicher Genauigkeit (Originalschaltung, meine Schaltung und ein Multimeter mit Kapazitätsbereich) war sehr viel besser als die Reproduzierbarkeit dieser Werte an verschiedenen Tagen. Im Umkehrschluß ist folglich der von mir getriebene Aufwand zur Konstanthaltung der Referenzen für diese Aufgabe weit überzogen – aber trotzdem einfach und billig genug um problemlos beibehalten werden zu können. Zurück
2
Robert Wichard Pohl, Einführung in die Elektrizitätslehre, Springer, Berlin 1944 Zurück
3
Die Schaltbilder zum Meßgerät sind verlorengegenagen und fehlen hier. Der einzige nicht selbsterklärende Teil ist die Spannungsreferenz. Als Regler dient der TL081, der Ausgangstreiber und Stromfühler im LM723 bilden eine geregelte Heizung für besonders hohe Spannungskonstanz. Dieser Teil muß abgeglichen und eingebrannt werden. Näheres dazu steht in Heft 10/1986 der elrad. Zurück
4
Die rechnerische Auslegung des Prototypes war entspechend den Herstellerangaben der Sonde mit den 3.2 nF des Wasserkondensators gerechnet worden. Trotz des sehr flexiblen Designs führte die Abweichung um den Faktor 15 an die Grenze des nutzbaren Bereichs. Zurück