Über den Unfug von der „optimalen Drehzahl“ und dem „günstigen Drehzahlbereich“

Immer wieder wird behauptet, man müsse für motorschonendes und sparsames Fahren den Motor möglichst in einem optimalen Drehzahlbereich halten. Tatsächlich ist das völliger Unfug und das genaue Gegenteil richtig: Unter Ausnutzung des gesamten nutzbaren Drehzahlbereiches ist der Motor stets so nahe wir möglich an der Vollastlinie zu führen.

Vorab einige Grundbegiffe der Motorentechnik

Drehmoment
Das Drehmoment ist ein Maß für die Kraft, die der Motor entwickelt. Wie bei allen Größen müssen wir hier unterscheiden zwischen dem (drehzahlabhängigen) maximalen Drehmoment (bei Vollgas) und dem momentanen tatsächlichen, das mit der Gaspedalstellung dosiert wird. Das Drehmoment ist (bis auf den dimensionslosen Faktor 2*π) genau die Arbeit, die der Motor mit einer Kurbelwellendrehung leistet. Bei einen typischen Alltagsmotor ist das maximale Drehmoment über der Drehzahl näherungsweise konstant. Tatsächlich hat es bei 1000 min-1 nahezu denselben Wert wie bei der Drehzahl der maximalen Leistung (typisch 5500 min-1). Dazwischen steigt es etwas an, und erreicht (bei typisch 3500 min-1) ein ca. 20 % höheres Maximum. Dieser (also natürlich nicht mehr drehzahlabhängige sondern bei genau einer Drehzahl erreichte) Höchstwert ist das, was in Motorenbeschreibungen maximales Drehmoment genannt wird.
Last
Mit der einfachen Regel Kraft = Gegenkraft sind die Last, mit der der Motor belastet wird, und das Drehmoment, mit dem er dagegen arbeitet, genau gleich groß. In der Motorentechnik hat es sich daher eingebürgert, die Begriffe synonym zu verwenden und insbesondere den momentanen Betriebszustand nicht mit „maximales und reduziertes Drehmoment“ sondern „Voll- und Teillast“ zu beschreiben.
Leistung
Wenn das Drehmoment die Arbeit bei einer Umdrehung ist, ergibt sich sofort, daß die Leistung (Arbeit pro Zeit) zum Produkt aus Drehmoment und Drehzahl proportional ist. Wegen des konstanten Drehmomentes steigt also die Leistung näherungsweise proportional mit der Drehzahl. Genaugenommen steigt sie wegen des zu hohen Drehzahlen abfallenden Drehmomentes immer langsamer und erreicht an dem Punkt, wo das Drehmoment stark genug fällt, um den Drehzahlanstieg zu kompensieren, ein absolutes Maximum, die Maximalleistung aus den Fahrzeugpapieren (die also auch nur bei genau einer Drehzahl entwickelt wird).
Mitteldruck
Naturgemäß haben große Motoren ein höheres Drehmoment als kleine. Für allgemeine Aussagen wird deshalb als vergleichbare Kenngröße das Drehmoment (genauer: die Arbeit pro Zyklus, s.o.) durch den Hubraum geteilt. Arbeit durch Volumen hat rein formal die Dimension eines Druckes, deshalb bezeichnet man diesen Wert im allgemeinen als Mitteldruck. (Es gibt andere Gründe, die aber hier zu weit führen würden.) Der maximale Mitteldruck liegt typisch bei rund 8 bar.
spezifischer Kraftstoffverbrauch
Der spezifische Kraftstoffverbrauch in g/kWh ist die in der Motorentechnik übliche Angabe des Wirkungsgrades. Der Heizwert üblicher Kraftstoffe beträgt 42,5 MJ/kg,*) eine kWh sind 3,6 MJ. Es gilt also folgende Gegenüberstellung:
[g/kWh] [%]  
200 42 gute Schiffsdiesel, Bestwert des VW TDI
250 34 Bestpunkt sehr guter Benzin- & Dieselmotoren
300 28 Bestpunkt älterer Benzinmotoren
> 500 < 17 Betriebspunkt typischer Autofahrer

*) Pro Liter ist der Heizwert von Diesel rund 13 % größer als der von Benzin, Diesel ist aber auch um eben diese 13 % dichter (schwerer). Bezogen auf die Masse, also pro Kilogramm, ist der Heizwert beider Kraftstoffe nahezu identisch.

Zur Anwendung

Betriebspunkt

Der erste Grundgedanke, den man sich klar machen muß, ist, daß die Leistung (in aller Regel) nicht vom Motor, sondern vom Fahrer abhängt. Genauer bedeutet jeder Fahrzustand – bergauf, bergab, beschleunigen, verzögern, konstant, usw. – jeweils eine ganz bestimmte Leistung, die vom Fahrer mit dem Gaspedal eingeregelt wird. Also nochmal (weil ganz wichtig): Für jeden Fahrzustand ist, unabhängig vom eingelegten Gang, der Drehzahl etc. die Leistung jeweils konstant. Die erste wichtige Frage muß also lauten: In welchem Betriebspunkt erreiche ich eine bestimmte gewünschte Leistung möglichst ökonomisch? Die Antwort ist (minimalst vereinfacht) eine ganz einfache: Genau bei Vollgas. Aus dem oben dargelegten wissen wir, daß Leistung das Produkt aus Drehmoment und Drehzahl ist, wird also dieselbe Leistung bei z.B. der doppelten Drehzahl (kleiner Gang) erbracht, so muß das Drehmoment auf die Hälfte reduziert werden. (Nimmt man im kleinen Gang nicht Gas weg, dann „geht er richtig ab“.) Es ist aber so, daß jeder Verbrennungsmotor seinen besten Wirkungsgrad auf oder nahe der Linie des maximalen Drehmomentes hat. Ganz praktisch heißt das einfach nur: Der größte Gang, in dem die gewünschte Leistung noch erbracht werden kann, ist auch der sparsamste – und das gilt bis hinunter zu sehr niedrigen Drehzahlen (weniger als 1000 min-1).

Warum ist das so?

Einmal liegt es am mechanischen Wirkungsgrad. Der Motor verbraucht auch Energie zur Überwindung seiner inneren Reibung. Diese ist zwar leicht drehzahl- (das ignorieren wir hier erstmal) aber praktisch nicht lastabhängig und entspricht typisch einem (Reib-)Mitteldruck von 2 bar. Das heißt bei den oben genannten 8 bar effektiver Mitteldruck, gehen von der bei der Verbrennung geleisteten Arbeit 20 % in die Reibung und 80 % in die Nutzarbeit. Beim halben Drehmoment (4 bar) sinkt entsprechend der mechanische Wirkungsgrad von 80 % auf 67 %, und dabei ist 4 bar noch ein recht hoher Mitteldruck. Konstant 50 km/h sind beim 1,1 l-Polo 2,25 bar im Schongang und 1,8 bar im normalen 4. (und wer fährt schon 50 im 4.?). Praktisch jeder Motor ist ab 1000 min-1 benutzbar, und es gibt kaum ein Auto, bei dem das im größten Gang mehr als 35 km/h entspricht. Der zweite Grund ist der innere Wirkungsgrad, also u.a. die Qualität der Verbrennung. Hier alle Effekte aufzulisten würde viel zu weit führen, aber der einsichtigste dürfte die bekannte Tatsache sein, daß ein höheres Verdichtungsverhältnis zu einem besseren Wirkungsgrad führt. Stark idealisiert herrscht im Zylinder im unteren Totpunkt bei Vollgas der normale Umgebungsdruck. Davon ausgehend wird dann z.B. 1:9 verdichtet. Gaswegnehmen bedeutet nun nichts anderes, als daß der Zustrom von Luft (Gemisch) in den Zylinder gedrosselt wird. Nehmen wir wieder einmal Drosselung auf genau die Hälfte an (0,5 bar absolut)(das ist gar nicht so wenig Gas!) so wird auf der ersten Hälfte des Kolbenweges erst der Normaldruck erreicht, das heißt die Verdichtung beträgt effektiv nur noch 1:4,5.

Optimale Fahrweise

Da man irgendwann nicht mehr hochschalten kann, und der größte Gang bei Konstantfahrt immer noch zu klein ist, (s.o.) kann man auf folgende Weise noch mehr sparen: Ein Auto braucht bei konstant 80 km/h z.B. 24,6 l/100km. Alternativ wird es von ca. 70 auf 90 km/h mit Vollgas beschleunigt (bester Wirkungsgrad) und dann von 90 auf 70 ausrollen gelassen (nur Standgas). Die mittlere Geschwindigkeit ist wieder 80 km/h und der mittlere Verbrauch nur noch 18,6 l/100km, bei in der Rollphase abgeschaltetem Motor sogar nur 17,2 l/100km. Die Ersparnisse betragen also 24 % resp. 30 %! (Diese Zahlen stammen übrigens aus einem Artikel vom August 1932. Mitte der 70-er wurde dasselbe Experiment von Prof. Fiala (VW) mit dann aktuellen Fahrzeugen und derselben relativen Ersparnis von 24 und 30 % wiederholt.) Übrigens arbeitet der Motor in der Beschleunigungsphase zwar mit gutem Wirkungsgrad aber auch mit viel höherer als unbeschleunigt erforderlicher Leistung. Der Momentanverbrauch während der Beschleunigung lag bei der o.g. Messung bei 62 l/100km (Dafür entsprach der Leerlaufverbrauch im Rollen nur 2,8 l/100km)

Und jetzt ganz praktisch

Ein Zyklus wie der obengenannte ist im Verkehrsfluß natürlich selten unterzubringen, aber zwei Regeln lassen ihn im ohnehin selten konstanten Verkehr hinreichend annähern:

  1. Sowie der Fuß vom Gas geht: Gang raus! Es ist erstaunlich wie wenig der Motor während der Fahrt oft leistet, vielfach wird nur Gas gegeben, damit er nicht bremst. Wer es das erste Mal probiert, ist erstaunt, wie oft er den Motor eigentlich gar nicht braucht und wie weit das Auto rollt. Auch mit Rücksicht auf den Hintermann kann man recht gut immer etwas länger rollen lassen als eigentlich in den Verkehrsfluß paßt.
  2. Wenn Gas, dann Vollgas. Im höchstmöglichen Gang immer kräftig Gas geben. Bei jeder Beschleunigung etwas schneller werden, als eigentlich gewünscht, (natürlich ohne bremsen zu müssen!) dann kann man hinterher länger rollen.

Eine Momentanverbrauchsanzeige zeigt jedesmal beim Beschleunigen natürlich horrende Werte (s.o.) und suggeriert einem extreme Unwirtschaftlichkeit. Die meisten Bordcomputer bieten aber die Möglichkeit, den Durchschnittsverbrauch über die ganze Fahrt zu zeigen.

Start-Stop Anlagen

Über die Wirkung des Motorabschaltens werden recht widersprüchliche Zahlen veröffentlicht. Meine Erfahrung ist, daß ich mit konsequentem Abschalten im Stand und im Rollen mit einem Polo, der bei konstant 90 mit 6,2 l/100km angegeben ist, im reinen Stadtverkehr (Aachen und Leverkusen) mit etwa 6 l/100km (und teilweise deutlich darunter) gefahren bin. In die nächsten Polos habe ich die Schaltung (noch) nicht wieder eingebaut, und mit meinem derzeitigen (bei 90 km/h 6,2 l/100km im normalen und 5,4 l/100km im Schongang) brauche ich in derStadt mit der o.g. Fahrweise aber ohne Abschalten ca. 6,3 bis 6,5 l/100km.

Schubabschaltung

Moderne Vergaser und Einspritzungen unterbrechen im Schub die Benzinzufuhr und senken damit den Momentanverbrauch auf Null. Dies gilt meist erst oberhalb von 1500 min-1, so daß das Wiedereinsetzen kaum spürbar ist. Tatsächlich brauchen sie aber mehr Benzin, als beim Rollen im Leerlauf mit Benzinverbrauch, weil der Motor im Schub natürlich (recht kräftig) bremst. Man rollt also wesentlich weniger weit und muß viel eher wieder beschleunigen. Wenn man die Motorbremse öfter tatsächlich braucht (Berge) hilft die Abschaltung natürlich trotzdem.

Oktanzahl

Neben der Verdichtung und Temperatur haben Ablagerungen einen ganz erheblichen Einfluß auf den Oktanzahlbedarf eines Motors. Nach meiner Erfahrung bleibt ein mit viel Gas gefahrener Motor (auch im Stadtverkehr bei ausschließlich niedriger Drehzahl) so sauber, daß ein auf Super oder Super-Plus ausgelegter Motor problemlos mit Normal läuft. Autos, die ich verleihe – und die dann mit niedrigerer Last gefahren werden, – klingeln hinterher fast immer eine Weile. Das häufige Klingeln bei niedriger Drehzahl ist übrigens vollkommen harmlos – gefährlich für den Motor wird es erst ab ca. 4000 min-1. (Nach Untersuchungen von Dr. Norbert Adolph am LAT der RWTH Aachen)

Einwände

Der am häufigsten gegen die o.g. Empfehlungen vorgebrachte Einwand ist: Bei Vollgas und niedriger Drehzahl erhält der Motor zwangsläufig viel mehr Benzin, als er verbrennen kann, und hat deshalb nicht nur einen hohen Verbrauch, sondern verrußt und verdreckt auch völlig.

Dies stimmt (obwohl vielfach geglaubt) so nicht, denn die Drosselklappe sitzt zwischen Vergaser und Saugrohr und regelt (vereinfacht, weil der Volumenanteil Benzin gering ist) die Luftmenge. Der Vergaser mischt (mit Mitteln der Strömungsmechanik) der Luft in nahezu konstantem Verhältnis Benzin zu. Bei niedriger Drehzahl ändert sich zwischen Viertel- und Vollgas kaum etwas, weil der Motor einfach nicht mehr ansaugen kann. Bei Einspritzern ist es im Prinzip genauso. Von der Drosselklappenstellung bekommt die Steuerung gar nichts mit, sondern auf irgendeine Weise (meistens Stauklappe) nur die angesaugte Luftmenge. Wie beim Vergaser ist konstruktiv meist eine gewisse Vollastanreicherung eingebaut, aber auch (gerade) da hält sie sich in Grenzen. Gerade bei Vollgas und extrem niedriger Drehzahl sind Einspritzungen dem Vergaser bei der Gemischbildung weit überlegen – im Leerlauf ist es umgekehrt. (Leider ist der Mist immer voll vergossen – was wäre es schön, wenn da ein steckbares EPROM drauf säße.)

Genau stimmt das obige leider nicht:

  1. Praktisch alle Vergaser sind auf Anfetten bei Vollgas ausgelegt. Das bringt kaum Leistung aber erhöht den Verbrauch. Tatsächlich liegt deshalb der Bestpunkt im unteren Drehzahlbereich nicht bei Vollast, sondern bei ca. 80 %. Subjektiv ist das aber kaum zu unterscheiden und außerdem kann auch bei Übernahme der obigen Ratschläge keiner ständig auf dem Bodenblech fahren, bleiben wir deshalb bei der einfacheren, verständlicheren und etwas ungenauen Merkregel.
  2. Weil der Zylinder im unteren Totpunkt i.A. noch nicht ganz voll ist, bleibt das Einlaßventil noch etwas offen während der Kolben schon wieder hochkommt – üblich sind etwa 40 Grad. Bei sehr niedriger Drehzahl wird u.U. Gemisch wieder zurückgeschoben. Deshalb kann bei sehr niedriger Drehzahl der Bestpunkt weiter in die Teillast rutschen. Das ist aber nur bei „Sportmotoren“ relevant und auch da nur mit Vergaser, eine Kombination, die es praktisch nicht mehr gibt. Für einen 1,1 l Polo sind bei den folgenden Drehzahlen die genannten Lasten optimal (Kennfeld von VW in der MTZ veröffentlicht):
    [min^-1] [%]
    800 100
    1400 88
    2000 83
    2500 88 bester Punkt des ganzen Kennfeldes
    3000 100
    Bei allen Drehzahlen darüber liegt der Bestpunkt auf der Vollastlinie.
    Die Anfettung bei Vollgas läßt sich übrigens bei vielen Motoren mit wenig Aufwand fast ganz abstellen. Der Leistungsunterschied ist nicht spürbar, die Verbrauchsverbesserung wohl.

Lagerverschleiß

Der zweite Einwand ist, daß „untertouriges“ Fahren dem Motor schadet und zu überhöhter Lagerbelastung führt. Im Prinzip ist das nicht falsch und es ist kein Zufall, daß die ständig bei mittlerer Drehzahl und naherzu im Standgas betriebenen amerikanischen Achtzylinder im Kurbeltrieb eine nahe unbegrenzte Lebensdauer zeigen. Tatsächlich stammt der Begriff „untertourig“ noch aus den 30iger Jahren, als die Motoren meist viel zu klein dimensionierte Weißmetallager hatten und wirklich nur gestreichelt werden durften. Mit modernen Lagerschalen fahre ich jetzt problemlos 200 000 km extrem niedrigtourig mit einem Lagersatz – allerdings mit Schonganggetriebe. Bei meinem ersten Polo mit durch das kurze Getriebe erzwungenen sehr hohen Autobahndrehzahlen habe ich diese Laufleistung nicht erreicht – wenn es also gerade die „sportlichen“ Fahrer sind, die solche Angst vor dem „Motorquälen“ haben, so geht das haarscharf an den Tatsachen vorbei. Und selbst wenn die Lebensdauer einige Prozent sinken sollte: Ein kompletter Satz Lagerschalen kostet für einen Vierzylinder ca. DM 100.- und 150 000 km halten sie bei vernünftiger Behandlung immer – was soll's also?

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